Die Herrscher der Wälder

Tagtäglich werden indigene Völker aus ihrem ursprünglichen Lebensraum vertrieben. Ihr Land wird genutzt, um Futtermittel zu produzieren, Bodenschätze abzubauen, Energie zu erzeugen oder Vieh zu halten. So ergeht es auch den Ureinwohnern des brasilianischen Regenwaldes.

Laut Verfassung steht den Ureinwohnern das Land zu, auf dem sie seit Generationen leben. Doch Papier ist geduldig und die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Um Profit zu erwirtschaften, hat die Regierung einst große Gebiete ihres Landes teilweise illegal verkauft. Heute sind dort die Viehweiden oder Soja-, Mais- sowie Zuckerrohrplantagen ausländischer Investoren. Täglich werden den Ureinwohnern Brasiliens die grundlegendsten Menschenrechte vorenthalten. Doch Menschenrechte lassen sich erst dann wirksam einfordern, wenn man zweifelsfrei belegen kann, dass sie missachtet werden. Außerdem kümmern sich nur wenige darum, juristisch den Ureinwohnern zur Seite zu stehen.

 

Die Guarani-Kaiowá

Eines der größten indigenen Völker in Brasilien sind die Guarani. Heute leben in Brasilien ungefähr 51.000 Guarani in sieben Bundesstaaten. In Mato Grosso do Sul lebt eine Gruppe von ihnen: Die Guarani-Kaiowá.

,„Guarani-Kaiowá“ bedeutet „Herrscher der Wälder“. Der Regenwald ist ihre Lebensgrundlage, ihre Heimat, mit der sie sich identifizieren und die ihnen alles bietet, was sie brauchen: Wasser, Nahrung, Medizin. Doch was einst war, ist nicht mehr. Ohne Land leben die Guarani-Kaiowá eingepfercht in kleinen, staatlich angelegten Reservaten. Es kommt auch vor, dass sie gar kein Land haben und unter Plastikplanen am Straßenrand leben. Nur wenige konnten bereits auf das Stück Land ihrer Ahnen zurückkehren.

Doch damit nicht genug: Ihr ursprüngliches Land wird ihnen nicht nur weggenommen, sondern auch zerstört. Die Wälder werden gerodet, die Böden durch Monokulturen ausgelaugt und das Wasser mit Pestiziden vergiftet. Das Land wird unbrauchbar und zur Agrarwüste. Sie können ihrem herkömmlichen freien, unabhängigen Lebensstil als Selbstversorger nicht mehr nachgehen. In den Reservaten herrscht Platzmangel, die Erde ist zu unfruchtbar, um genügend Lebensmittel anzubauen, das Wasser in den Flüssen ist von Herbiziden vergiftet. Die Folgen für die Indigenen sind Krankheit, Hunger und soziale Verelendung.

Sie kämpfen für Gerechtigkeit

Aus der Not heraus besetzen sie ihr Land, versuchen es zurückzuerobern und die Umweltzerstörungen aufzuhalten. Damit riskieren sie oftmals ihr Leben. Die Farmer, an die das Land verkauft wurde oder die es sich unrechtmäßig angeeignet haben, wehren sich, sie stellen bewaffnete Patrouillen auf oder holen korrupte Polizisten. Es kommt zu Kämpfen, nicht selten zu Verletzten und Toten bei den Indigenen. Viele werden dabei regelrecht hingerichtet.

Die meisten Institutionen sind fest in der Hand der Berufspolitiker. Durch ihre engen Verbindungen zu den Besitzern der Plantagen und den Medien, hätten sie die Macht, etwas zu bewegen und zu verändern. Allerdings unterstützt die Regierung, die das Land verkauft hat, die expandierende industrielle Landwirtschaft und hilft den Guarani selten bis gar nicht. Daher gehen Rechtsstreits in der Regel zu Gunsten der Landwirte aus oder werden endlos vor sich hergeschoben.

Die Guarani-Kaiowá befinden sich in einem Teufelskreis, der regelrecht zum Überlebenskampf wird. Sie kämpfen so lange, bis sie keine Hoffnung mehr sehen. Viele verlieren dann jede Perspektive, einige begehen aus Verzweiflung Suizid. In den vergangenen zwanzig Jahren haben sich über 1.000 von ihnen das Leben genommen. Darunter sehr viele Jugendliche.